Pflegegrad abgelehnt? Einspruch gegen Pflegegrad

Widerspruch gegen den Pflegegrad-Bescheid lohnt sich oft

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Widerspruch gegen den Pflegegrad-Bescheid lohnt sich oft

1. Widerspruch gegen den Pflegebescheid einlegen

Jährlich stellen in Deutschland rund eine Million Menschen einen Antrag auf Feststellung ihrer Pflegebedürftigkeit. Doch etwa ein Drittel der Erstanträge wird abgelehnt oder der Pflegegrad zu niedrig eingestuft. Bei Anträgen auf eine Höherstufung des Pflegegrads wird sogar fast jeder zweite abgelehnt.

Nicht immer sind diese Ablehnungen gerechtfertigt. Häufig wird der Pflegebedarf vom Medizinischen Dienst (MD) oder von Medicproof, dem Dienst der Privatversicherer, ungenau eingeschätzt. Die Folge: Pflegebedürftige erhalten nicht den Pflegegrad und die damit verbundenen Leistungen, die ihnen zustehen.

2. Erfolgsaussichten eines Widerspruchs einschätzen

Wurde Ihr Antrag von der Pflegekasse abgelehnt, haben Sie das Recht, Widerspruch einzulegen. Die Erfolgsaussichten sind oft gut, da etwa drei von vier überprüften Gutachten erhebliche Fehler enthalten. Selbst erfahrenen Gutachtern des MD oder Medicproof fällt es oft schwer, die Pflegebedürftigkeit korrekt zu beurteilen. Die betroffene Person, Angehörige und ggf. Pflegekräfte wissen meist am besten, wie stark die Einschränkungen im Alltag tatsächlich sind. Gut vorbereitete und gut begründete Widersprüche haben daher häufig Erfolg.

Ob ein Widerspruch sinnvoll ist, hängt vor allem von zwei Fragen ab:

  • Gibt es überzeugende Argumente für einen Widerspruch?
  • Liegt ein höherer Pflegegrad realistisch in Reichweite?

3. Widerspruchsfrist beachten

Sind Sie mit dem Bescheid der Pflegekasse nicht einverstanden? Dann können Sie kostenlos und formlos Widerspruch einlegen. Wichtig ist dabei die Einhaltung der Widerspruchsfrist. Auf dieser Seite erfahren Sie:

  • Welche Frist Sie einhalten müssen
  • Die rechtlichen Grundlagen für diese Frist
  • Wie die Frist berechnet wird
  • Wie Sie fristgerecht Widerspruch einlegen
  • Was Sie tun können, wenn die Frist bereits abgelaufen ist

Die Frist sollte unbedingt beachtet werden, da der Bescheid sonst bestandskräftig wird. Oft zählt der genaue Tag, an dem der Bescheid bei Ihnen eintrifft. Wir unterstützen Sie gerne dabei, die Frist zu prüfen und zeigen Ihnen Wege auf, wie Sie eventuell auch nach Ablauf der Frist noch Widerspruch einlegen können.

Gültige Frist für Widerspruch gegen den Pflegebescheid

Bescheide der Pflegeversicherung gelten als „Verwaltungsakte“. Für den Widerspruch gegen einen solchen Verwaltungsakt beträgt die Frist gesetzlich einen Monat. Oft wird eine Frist von vier Wochen genannt, doch korrekt ist die Frist von einem Monat nach Erhalt des Bescheids.

Für private Pflegeversicherungen gilt diese Frist nicht – hier können Sie innerhalb eines Jahres Widerspruch einlegen.

Fristbeginn und Fristende

Die Frist endet genau einen Monat nach Zustellung des Bescheids. Wenn der Bescheid beispielsweise am 12. Juni eingegangen ist, läuft die Frist am 12. Juli um 00:00 Uhr ab.

Wenn der Tag der Zustellung unbekannt ist oder unklar bleibt, beginnt die Frist drei Werktage nach dem Datum im Bescheid. Es kann jedoch vorkommen, dass der Bescheid verspätet versendet oder zugestellt wird. In dringenden Fällen bringen Sie den Widerspruch am besten persönlich zur Pflegekasse und lassen sich den Empfang quittieren. Alternativ können Sie ein Fax mit Sendebestätigung oder ein Einwurf-Einschreiben verwenden.

4. Pflegefachliche Begründung

Ein rechtzeitig eingereichter Widerspruch wahrt die Frist und hält das Verfahren am Laufen. Die Pflegekasse wird in der Regel eine schriftliche Begründung des Widerspruchs anfordern. Idealerweise stützen Sie diese auf eine pflegefachliche Stellungnahme, die von einer ausgebildeten Pflegefachkraft erstellt wurde.

Ohne eine fundierte, pflegefachliche Begründung kann die Kasse die Ablehnung „nach Aktenlage“, also ohne erneute Begutachtung, bestätigen. Um dies zu vermeiden, ist eine pflegefachliche Argumentation meist entscheidend. Überprüfen Sie die dokumentierten Hilfsbedarfe im Gutachten sorgfältig. Entsprechen die Angaben der Realität? Wo ist mehr Unterstützung erforderlich, als im Gutachten angegeben? Hier setzen Sie mit Ihrer Begründung an, und idealerweise haben Sie mehrere Punkte, die Sie anführen können.

Wichtig: Das Einreichen einer Widerspruchsbegründung ist eine offizielle Rechtshandlung und kann nur durch die versicherte Person selbst oder einen bevollmächtigten Anwalt erfolgen.

5. Erneute Begutachtung – Aktueller Hinweis

Das derzeit durchgeführte strukturierte Telefon-Interview ersetzt inhaltlich die üblichen Begutachtungen zu Hause oder in stationären Einrichtungen. Nutzen Sie daher unsere Informationen und Tipps zur Vorbereitung. Wichtig: Auch beim Telefon-Interview sollte die Hauptpflegeperson anwesend sein.

Wurde Ihr Widerspruch pflegefachlich gut begründet, beauftragt die Pflegekasse den MD mit einer erneuten Begutachtung. Diese erfolgt dann durch einen anderen Gutachter als bei der Erstbegutachtung.

Ziel der erneuten Begutachtung ist es, den Gutachter davon zu überzeugen, dass die ursprüngliche Entscheidung zum Pflegegrad korrigiert werden sollte. Der Gutachter überprüft die im Widerspruch angesprochenen Punkte und Unterschiede.

Hilfreich ist es, dem Gutachter wichtige Aspekte zu verdeutlichen, wie beispielsweise eine bislang fehlende Diagnose oder ein aktuelles Pflegetagebuch, das zusätzliche Informationen liefert. Solche Unterlagen können dabei helfen, eine gerechte Einstufung im Pflegegrad zu erreichen.

Das Wichtigste in Kürze

- Bei einem falschen Pflegegradbescheid kann man entweder Widerspruch einlegen oder einen Neuantrag stellen.

- Ein Widerspruch ist ratsam, wenn sich der Gesundheitszustand nicht deutlich verschlechtert hat.

- Ein Neuantrag sollte vor allem bei einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands gestellt werden.